Unsere innere (Un)Sicherheit nach den Terrorakten in den USA |
Bildungsurlaubsseminar in Bad Zwischenahn behandelt das heiße Eisen der inneren Sicherheit / Das Sicherheitsgefühl nach dem 11. September "Nach dem 11.09. ist nichts mehr, wie es einmal war - unsere Gesellschaft steht vor den größten Veränderungen, die sie jemals nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat." Diese und ähnliche Aussagen waren in den vergangenen Wochen häufig zu hören und zu lesen. Was hat sich subjektiv und objektiv verändert? Eines hat sich generell verändert: das Empfinden für Sicherheit. Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist gewachsen und spürbar geworden, sie wird begleitet von Ängsten und Sorgen. Asmus Nitschke, Historiker und Dozent an der Bildungsstätte der Angestelltenkammer in Bad Zwischenahn, konnte diese Veränderung exemplarisch beobachten. Er bestätigte, das Seminar "Unsere innere Sicherheit" im Oktober 2001 habe inhaltlich zweifellos einen anderen Schwerpunkt erfahren, als dies noch vor einigen Monaten der Fall gewesen war. Die eigene innere Sicherheit ist nach den Terror-Anschlägen in den USA einer inneren Verunsicherung gewichen. Während einige Teilnehmer in Bad Zwischenahn ihre Stimmen erhoben, Besonnenheit anmahnten und warnten, nicht in Angst und Hysterie zu verfallen, reagierten andere Seminarteilnehmer in umgekehrter Weise: emotional und besorgt. Sie artikulierten die Angst vor etwas Unbestimmten, vor Bedrohungen von außen durch biologische und andere Waffen und drückten die Furcht vor einer Eskalation militärischer Auseinandersetzungen aus. Mit unterschiedlichen Übungen ließ der Seminarleiter die Teilnehmer erfahren, wie es mit dem subjektiven Gefühl der eigenen inneren Sicherheit bestellt ist. Sicherheit hat demnach auf jeden Fall etwas mit Vertrauen zu sich selbst, aber auch mit dem Vertrauen zu Menschen und Institutionen unseres Staates zu tun. Die Medien hätten hierbei, so Nitschke, eine besondere Verantwortung gegenüber den Leserinnen und Lesern beziehungsweise den Zuschauern, da die Nachrichten und Bilder nicht selten die Emotionen stark ansprächen. Zu lebhaften, durchaus auch kontroversen Diskussionen führten im Seminar aber auch Fragen wie: "Wann fühle ich mich am sichersten?" und "Unter welchen Bedingungen wäre, dem individuellen Empfinden nach, ein Optimum an Sicherheit und Freiheit erreicht?" Die Begriffe von Freiheit und Sicherheit müssten zwar nicht neu definiert werden. Die Beteiligten des Seminars waren sich jedoch weitgehend einig, dass sie in Zukunft unter anderen Bedingungen zu realisieren seien. Die Grundwerte Freiheit und Sicherheit nähmen nach dem 11. September eine noch wichtigere Rolle im alltäglichen Leben ein als bisher. Es gelte in Zukunft zu begreifen, dass beides nicht ohne Einschränkungen erreichbar sein werde und schon gar nicht zum Nulltarif zu haben sei. Das Resümee dieser Diskussion zum Thema "Freiheit und Sicherheit": Zusätzliche Sicherheit in einer unsicheren Zeit wird Kosten verursachen, die jeder Einzelne zu tragen hat. Lothar Jachmann, stellvertretender Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bremen, war als Gast-Dozent geladen. In Hinblick auf die Anschläge von New York und Washington warnte er eindringlich vor übertriebenem Aktionismus auf allen Ebenen. Es gelte nach wie vor, einerseits Sensibilität und Toleranz zu wahren, andererseits Verallgemeinerungen und pauschalen Urteilen über Andersdenkende und bestimmte Personengruppen entgegenzuwirken. Dem hiesigen Landesamt für Verfassungsschutz lägen keinerlei Hinweise vor, die auf terroristische Folge-Straftaten - speziell in der Wesermetropole - hindeuteten. Gleichwohl sei es jedoch vermessen zu behaupten, dass derartige Ereignisse auch in Zukunft gänzlich ausgeschlossen werden könnten. Der Verfassungsschützer erinnerte ausdrücklich auch daran, dass unsere demokratische Grundordnung nach den schrecklichen Ereignissen in den USA "nicht ernsthaft gefährdet" sei.
(dieser Artikel ist erschienen in der NORD-WEST-ZEITUNG am 4.Januar 2002 unter der Überschrift "Ist innere Sicherheit innerer Unsicherheit gewichen?") |